Das EU-Verbrenner-Aus 2035: Aktueller Stand, große Debatten und unterschiedliche Perspektiven
Ab 2035 gilt in der EU das Aus für neue Autos mit klassischem Verbrennungsmotor – doch was bedeutet die Regel wirklich? Wer setzt sich dafür oder dagegen ein, welche Ausnahmen gibt es, und wie reagieren Industrie, Parteien und Bevölkerung? Unser umfangreicher Beitrag beantwortet verständlich und kritisch alle wichtigen Fragen zum EU-Verbrenner-Aus.
Einleitung: Das Verbrenner-Aus 2035 – Mehr als ein Ende für Benziner und Diesel?
Stellen Sie sich eine Zukunft vor, in der neue Autos in Europa keinen Sprit mehr schlucken, keine stinkenden Abgase mehr ausstoßen und vielleicht sogar auf leisen Sohlen durchs Wohngebiet surren. Genau das plant die Europäische Union mit dem groß diskutierten Verbrenner-Aus ab 2035. Die Entscheidung sorgt schon lange für Schlagzeilen, harte Diskussionen und viele Fragen. Was heißt das für Autofahrer, Hersteller und das Klima? Wer kämpft für, wer gegen das Gesetz, und wie sicher ist der Beschluss wirklich? In diesem ausführlichen Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Hintergründe, die aktuellen Regeln, den Stand der Debatte – und werfen einen Blick darauf, wie es nach 2035 weitergehen könnte.
Das offizielle EU-Verbot ab 2035
Im Oktober 2022 einigte sich die Europäische Union auf einen Beschluss, der die Mobilitätswelt verändern wird: Ab 2035 dürfen keine neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit CO2-Emissionen mehr zugelassen werden. Die Formulierung klingt technisch, bedeutet aber praktisch ein Ende für neu zugelassene Benziner und Diesel – zumindest, wenn sie noch Treibhausgas ausstoßen. Hybride und Plug-in-Hybride, die weiterhin CO2 ausstoßen, sind auch betroffen. Elektromobile, die lokal emissionsfrei fahren, sind hingegen weiterhin erlaubt.
Diese Regelung gilt dabei nicht für Motorräder. Für Lastwagen, Busse und andere schwere Nutzfahrzeuge sind andere, spätere Zeiträume zur Emissionsreduktion geplant, aber auch dort wird das Ziel eindeutig: Deutlich weniger Ausstoß, spätestens ab 2040 in großem Stil.
° Die Gesetzeslage ist klar: Wer nach 2035 einen neuen Verbrenner kaufen will, hat Pech – es sei denn, spezialisierte Ausnahmen greifen.
° Bereits vorhandene Fahrzeuge dürfen aber natürlich weiter genutzt, verkauft und gekauft werden (dazu später mehr).
° Für die Umsetzung sind mehrere Prüfungszeitpunkte vorgesehen, insbesondere eine Überarbeitung im Jahr 2026 bleibt ein wichtiger Meilenstein.
Schon jetzt ist klar: Die Entscheidung ist nicht einfach rückgängig zu machen, und bis mindestens 2026 gilt der aktuelle Plan. Erst nach einer Überprüfung könnte das Gesetz nachgebessert, abgeschwächt oder sogar ausgeweitet werden.
Hintergrund: Fit for 55, Green Deal und CO2-Ziele
Das Verbrenner-Aus ist kein Einzelprojekt – es steht im Herzen des großen europäischen Plans, das Klima zu schützen. Der EU Green Deal soll ermöglichen, dass die EU bis 2050 komplett klimaneutral wird. Das Zwischenschritt-Paket „Fit for 55“ fordert, dass die Gemeinschaft ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senkt.
Das bedeutet gewaltige Veränderungen – nicht nur für Autofahrer, sondern überall: von der Industrie bis zur Landwirtschaft. Auch die Energiestruktur soll sich ändern, weniger Kohle und Öl, mehr erneuerbare Quellen. Die Reduktion beim Autofahren spielt dabei eine besondere Rolle: Zwar kommt „nur“ etwa ein Fünftel des gesamten CO2 in der EU aus dem Straßenverkehr, doch es gibt keine Wundertricks: Jede Tonne zählt.
Der Green Deal steckt also den großen Rahmen. Das Verbot von Emissionsfahrzeugen ist eines der bekanntesten, aber nicht das einzige Puzzleteil. Ohne einen schnellen Umstieg auf saubere Antriebe – vor allem bei oft genutzten neuen Autos – bleiben die Klimaziele außer Reichweite. Daher gilt die Entscheidung als „Meilenstein“ in der europäischen Klimapolitik.
Debatten um die Gesamt-Ökobilanz: Zählt nur das Auspuff-CO2?
Viel Streit bringt die Frage, ob E-Autos wirklich so viel sauberer sind als moderne Verbrenner. Befürworter des Verbots sagen klar: Nur Elektrofahrzeuge oder solche, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, sind auf Dauer klimafreundlich. Doch viele Experten meinen, dass ein Vergleich auf Basis von Emissionen im Fahrbetrieb zu kurz greift.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert, dass auch der CO2-Ausstoß bei der Batterieproduktion und in der gesamten Lieferkette berücksichtigt wird. Insbesondere dann, wenn Batterien in Ländern wie China gefertigt werden, wo Kohle oft die Hauptquelle für Strom ist, fällt die „grüne“ Bilanz von Elektroautos schlechter aus. Viele Wissenschaftler und Umweltverbände unterstützen den ganzheitlichen Ansatz – dann würde nicht nur der lokale Auspuff zählen, sondern jeder Schritt, vom Rohstoff bis zum Schrottplatz.
Position vom VDA und Reaktionen der Industrie
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) spielt eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen. Zuletzt hat der VDA betont, dass die EU nicht am geplanten Aus für den Verbrenner rüttelt. Gerüchte über ein mögliches Kippen oder Aufweichen des Gesetzes interpretiert der VDA als Missverständnisse oder voreilige Fehlinterpretationen.
Dennoch macht die Branche klar: „Technologieoffenheit“ bleibt ein wichtiges Schlagwort. Ob batterieelektrisch, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe – alle Wege sollen offenbleiben. Die Industrie verlangt vor allem Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen. Die Entwicklung neuer Motoren braucht Jahre. Änderungen im letzten Moment seien fatal.
Industrievertreter fordern die Politik zum Handeln auf: Ohne zügigen Ausbau von Ladeinfrastruktur, Zugang zu Rohstoffen und besserem Stromnetz ist die Umstellung kaum zu schaffen. Das EU-Verbot sei nur ein Anfang, kritisiert VDA-Präsidentin Hildegard Müller, der Rest müsse jetzt mit Geschwindigkeit und Verlässlichkeit folgen.
Sonderrolle von E-Fuels und HVO
Eine der spannendsten Fragen: Sind synthetische Kraftstoffe – sogenannte E-Fuels – die Rettung für Bestandsflotten und Technikfans? E-Fuels werden mit grünem Strom produziert und können theoretisch aus Wasserstoff und CO2 hergestellt werden. Damit könnten sie in bestehenden Verbrennern genutzt werden, ohne den Motor zu verändern.
Die Realität bremst den Traum aus. Bislang sind diese Treibstoffe knapp, teuer und energetisch wenig effizient. Nach Studien reicht die weltweit erwartete E-Fuels-Menge in den 2030er-Jahren kaum für den Flug- und Schiffsverkehr, geschweige denn für alle Pkw. Trotzdem hatten konservative Parteien wie die EVP eine Sonderregelung für E-Fuels durchgesetzt: Autos, die nachweislich nur mit solchen synthetischen Kraftstoffen laufen, sollen nach 2035 zulässig bleiben.
Allerdings sind die technischen und rechtlichen Details noch offen. Auch HVO, ein Dieselersatz aus erneuerbaren Quellen, könnte für spezielle Segmenten und Oldtimer eine Rolle spielen. Der VDA fordert eine klare Strategie und Förderung solcher alternativen Kraftstoffe. Gegner der E-Fuel-Ausnahme kritisieren ihre schlechte CO2-Bilanz und die hohen Kosten.
Parteipolitische Positionen in Deutschland und Europa
Die SPD steht auf der Gegenseite. Sie hält – übrigens gemeinsam mit den Grünen – am Verbrenner-Verbot fest. Die Grünen betonen die Chancen eines frühen Umstiegs: „Das schafft Planungssicherheit, fördert Technologieführerschaft und macht uns unabhängiger von fossilen Importen.“ Auch innerhalb der europäischen Parteienlandschaft tobt Streit: Die konservative EVP bleibt im Prinzip beim Beschluss, mahnt aber, dabei dürfe Europas Wirtschaft nicht unter die Räder kommen.
Europäische Kommissionschefin Ursula von der Leyen steht klar hinter dem Beschluss – der Rückhalt für sie ist in weiten Teilen ihrer eigenen Partei jedoch nicht unumstritten. Im Juni 2024 zur Europawahl wurde das Thema daher zum Wahlkampfschlager.
Die CDU-Kampagne gegen das Verbrenner-Aus
Im Frühjahr 2024 startete die CDU unter dem Motto „Ja zum Auto“ eine große Kampagne gegen das Verbrenner-Aus. Online sollten Bürger abstimmen, ob das Aus rückgängig gemacht werden soll. Doch das Ergebnis überraschte: 86 Prozent der Teilnehmenden waren gegen die CDU-Position, wollten also am Verbot festhalten. Noch dazu wurde die Umfrage in kurzer Zeit von Internet-Nutzern manipuliert. Die Partei stoppte sie daher nach nur einem Tag.
Trotz des knappen Zeitrahmens und der massiven Manipulation bleibt die Kampagne ein Zeichen für die Mobilisierung der Wähler. Unabhängig von der Online-Beteiligung versucht die CDU, das Verbrenner-Thema im Wahlkampf auf Plakaten, Postkarten und mit Forderungen in die Medien zu tragen. Doch selbst führende Automanager äußern wenig Verständnis für das Vorgehen. Manche sprechen von „Wählertäuschung“. Denn bei der Europawahl kann das Gesetz gar nicht direkt gekippt werden – das entscheiden spätere Verhandlungen.
Industrieperspektive: Strategiewechsel bei Autobauern
Deutsche Autobauer wie VW, Mercedes oder BMW haben ihre Strategie längst auf Anpassung ausgerichtet. Während Mercedes noch vor Kurzem eine „Electric only“-Strategie verkündete, ruderte der Konzern in letzter Zeit zurück. Wegen schwacher Absätze bei Elektroautos setzt man wieder stärker auf Verbrenner – aber nur für eine Übergangsphase.
Andere Hersteller bewerten die gelockerten Flottenziele der EU positiv. Zuvor drohten hohe Strafen, wenn sie die strengen CO2-Grenzwerte nicht einhalten. Nun können zu hohe Werte in 2025 mit besseren Zahlen bis 2027 ausgeglichen werden. Die meisten Konzerne sehen die Elektrifizierung als Hauptweg zur Klimaneutralität, viele plädieren aber dafür, verschiedene Lösungen wie E-Fuels oder Wasserstoff offenzuhalten.
Zwei Dinge werden in den Statements der Hersteller immer wieder betont:
° Klarheit und Planungssicherheit sind entscheidend.
° Die Transformation muss zu bezahlbaren Kosten gelingen, ohne dass Kunden und Betriebe überfordert werden.
Regulatorische Anpassungen und Übergangsregelungen
Gelockert bedeutet aber nicht aufgehoben. Die Flottenwerte bleiben streng, ab 2035 gilt das Neuzulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor. Ausnahmen sind nur für Technologien zulässig, die zu 100 Prozent klimaneutral sind – Stichwort E-Fuels. Die entscheidenden Fragen werden aber 2026 diskutiert: Dann steht eine Überprüfung des Status Quo an. Bis dahin ist zwar politischer Druck spürbar, aber ein grundlegender Kurswechsel ist unwahrscheinlich.
Die Übergangszeit ist eine Bewährungsprobe für Industrie und Politik: Schaffen sie es, die Infrastruktur zu modernisieren und gleichzeitig Markt und Bürger mitzunehmen?
Was passiert mit Bestandsfahrzeugen und Oldtimern?
Für Oldtimer und Youngtimer gibt es sogar spezielle Ausnahmen. Die historischen Fahrzeuge sind ein Kulturgut. Wer ein Auto mit H-Kennzeichen besitzt, muss sich keine Sorgen machen. Sogar der Einsatz alternativer Kraftstoffe wie HVO könnte ein Weg sein, klassische Diesel klimafreundlich zu fahren. Für die meisten anderen Nutzungen dürfte die Spritversorgung aber teurer werden, wenn die CO2-Steuer anzieht.
Infrastruktur und Rohstoffe: Herausforderungen für die Transformation
Selbst wenn das Gesetz in Stein gemeißelt erscheint, fehlt es noch an ganz praktischer Infrastruktur. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist eine riesige Aufgabe. Denn jeder E-Autofahrer möchte laden können, am liebsten alle 60 Kilometer. Das ist das Ziel: Mindestens alle 60 Kilometer soll laut Vorgabe eine schnelle Ladesäule stehen.
Zudem steht die Energieversorgung im Fokus. Die Produktion von Batterien benötigt seltene Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel – hier fordert die Industrie internationale Partnerschaften und offene Handelswege. Auch der Ausbau der Stromnetze muss Schritt halten, damit nicht das nächste Blackout droht, wenn ganz Europa gleichzeitig E-Autos lädt.
Gleichzeitig rufen immer mehr Stimmen nach nachhaltiger, bezahlbarer Energie jenseits von Kohle und Gas. Die Energiewende ist damit untrennbar verbunden mit dem Wandel der Mobilität. Ohne günstigen Strom bleiben E-Autos für viele Bürger unerschwinglich.
Argumente: Pro und Contra Verbrenner-Aus
Kaum ein Thema wird so kontrovers diskutiert wie das Verbrenner-Verbot:
* Pro-Argumente sind: CO2-Reduktion, Innovationskraft, Gesundheitsschutz und neue Jobs in der Zukunftsbranche.
* Umweltschützer weisen darauf hin, dass Gesundheit und Klima profitieren. Gerade für Kinder sind Abgase ein enormes Risiko für Lunge und Kreislauf.
* Wissenschaftler warnen: Ohne konsequenten Wandel wird Europa den technologischen Anschluss an die Konkurrenz verlieren.
Auf der Contra-Seite stehen Wirtschaftlichkeit, soziale Fragen und technische Zweifel.
* Kritiker halten dagegen, die E-Fuels könnten als Alternative dienen, und die Umstellung komme zu schnell.
* Die hohe Produktion von E-Fuels und Elektroautos könnten neue Umweltprobleme schaffen, die soziale Kluft wächst, weil sich viele Bürger kein E-Auto leisten können.
* Auch das Argument der Arbeitsplatzverluste taucht immer wieder auf.
Die Diskussion bleibt bis zuletzt hitzig. Die Transformation birgt Chancen und Risiken für alle Seiten.
Internationale Perspektive und globale Konkurrenzfähigkeit
Blickt man über den EU-Tellerrand, wird klar: Europa allein kann den Klimawandel nicht stoppen – doch die Richtung ist entscheidend. Die USA verfolgen ähnliche Ziele, aber mit weniger Vorschriften, sondern mit Anreizen für Elektroautos. China setzt konsequent auf Elektro und hat kräftige Subventionen für heimische Hersteller eingeführt.
Europas Autoindustrie befürchtet, dass zu harte oder zu schnelle Auflagen Investitionen und Innovationskraft abwandern lassen könnten. Umgekehrt wird oft gewarnt: Wer zu spät vom Verbrenner abkehrt, verliert den Anschluss an die Zukunftsmärkte. Länder mit großer Fahrzeugproduktion – wie Frankreich, Deutschland oder Italien – stehen damit weltweit unter beobachteter Konkurrenz.
Gleichzeitig birgt die Transformation auch Chancen: Europa kann sich als Pionier bei sauberer Technik und nachhaltigem Wirtschaften positionieren. Doch die Rahmenbedingungen müssen stimmen, damit Investitionen, Jobs und Know-how nicht abwandern.
Ausblick: Prüfungen, mögliche Änderungen und Zeitfenster
Möglich wäre beispielsweise,
° die Definition von „klimaneutralen Kraftstoffen“ weiter auszuarbeiten.
° Übergangsfristen für E-Fuels-Modelle auszuweiten.
° Oder das endgültige Ende für Benzin und Diesel – etwa durch CO2-Steuern – erst auf 2040 oder später zu schieben.
Politisch und rechtlich liegt der Ball immer wieder auf dem Spielfeld von Parlament, Kommission und nationalen Regierungen. Stimmen die Abgeordneten in der EU oder die Regierungen für eine Änderung, könnte sich der Kurs verschieben. Doch das ist unwahrscheinlich, wenn man die massive Zustimmung für Klimaziele in der EU-Politik betrachtet. Dennoch: Die Debatte bleibt offen und lebendig.
Schlussfolgerung
Das Verbrenner-Aus ab 2035 ist ein gravierender Schritt für Europa und für jeden, der jeden Tag auf sein Auto angewiesen ist. Klar ist: Die Europäische Union will den radikalen Wandel, und die Zeichen stehen auf Elektrifizierung. Die Debatten um Technologieoffenheit, Ausnahmen für E-Fuels oder Herausforderungen beim Laden und Rohstoffabbau werden auch in den kommenden Jahren nicht verschwinden. Branchenriesen, Umweltverbände und Politiker ringen weiter um den besten Weg. Eines ist jedoch gewiss: Das Ringen um den richtigen Weg zur klimafreundlichen, sozial tragfähigen Zukunftsmobilität bleibt spannend – und betrifft nicht nur Antriebsarten, sondern die Grundfrage, wie wir in Zukunft unterwegs sein wollen und können.
Wer auf ein schnelles „Zurück zum Alten“ hofft, wird wohl enttäuscht werden. Stattdessen gilt: Europas Politik setzt sich ehrgeizige Ziele – und die Umsetzung ist die eigentliche Herausforderung. Die kommenden zwei Jahre bis zur Überprüfung 2026 werden entscheidend sein, um zu beweisen, dass Visionen Realität werden können.